Ein Schritt zurück ...
Montag, Juni 2004
Um 9 Uhr sind wir mit dem Beladen unseres Busses fertig und auf geht's in Richtung Polen. Auf der Autobahn herrscht kaum Verkehr, wie soll denn da das richtige Urlaubs-Feeling aufkommen? Auch an der polnischen Grenze in Frankfurt/Oder kein Auto vor und hinter uns. Wir sind die einzigen Urlauber! Haben wir etwa die neueste Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verpasst? Die nächste Abfahrt ist nach Zielona Gora ausgeschildert, das ist unser Weg. Die Straßen sind leer. Alle müssen sicher arbeiten und wir machen Urlaub! Egal, so macht Autofahren Spaß.
Kurz vor Zielona Gora (Grünberg) kehren wir um 12 Uhr in einem kleinen netten Restaurant links der Straße ein und bestellen Bigosch. Wer nach Polen fährt, sollte natürlich auch die landestypischen Spezialitäten probieren, sage ich zu Arian. Von Papas Sprüchen lässt er sich aber wenig beeindrucken und verzieht schon mal vorsorglich das Gesicht. Obwohl Arian eigentlich sehr gerne Sauerkraut isst, mag er komischerweise kein Bigosch. Dabei schmeckt es wirklich hervorragend. Für zweimal Bigosch und zwei 0,5 l Coca Cola bezahlen wir 24 PLN. Das kleine Restaurant (N51°57.337' E015°23.507') links der Hauptstrasse ist sehr gepflegt und hübsch.
Bully am
Restaurant
Auffallend sind die vielen Polen, die neben der Straße sitzen und hauptsächlich selbstgesammelte Pilze, Beeren und Kartoffeln verkaufen.
Breslau erreichen wir um Punkt 15 Uhr. Ein kurzer Stopp ist allerdings noch nötig, um uns auf unserer total zerfledderten Polenkarte zu orientieren, denn Arian will auf einem Campingplatz anheuern. Kaum zu Ende gedacht und schon taucht links der Straße ein Campingplatz auf. Der Platz ist riesig, liegt an drei (!) Seen und wir sind momentan die einzigen Camper! So viel Platz hatten wir noch nie. Ich bezahle vorerst nur eine Übernachtung mit 31 PLN (6,74 Euro) inklusive Strom. Dann wird für uns das verschlossene Eingangstor geöffnet.
Neben unserem Stellplatz (N51°08.564' E016°56.011') stehen kleine Fußballtore, da werde ich heute Abend wohl schwer ins Bett fallen. Der Campingplatz ist parzelliert und man steht auf der Wiese. Zwar etwas uneben, ein leichter Touch von Acker, aber dafür fehlt auch der Schatten. Im Moment kein Thema, denn es ist sehr windig und so trotz Sonnenschein angenehm kühl. Allerdings führt eine Eisenbahnstrecke am Platz vorbei und sorgt für akustische Unterhaltung. Zugverkehr gibt es übrigens reichlich. Schier endlose Kohlezüge, dass es so was noch gibt!? Ich zähle bis zu 60 Waggons. Mal abwarten, was der Güterverkehr in der Nacht macht.
Campingplatz "Kemping Glinianki" in Breslau
Jetzt treten wir zum Fußballmatch an. Ich liege schnell 2:0 in Front, wobei ich noch so manch' hochkarätige Chance vergebe, aber Arian schafft doch noch den Ausgleich. Bei einem Sprint bleibe ich mit dem rechten Fuß an einem Maulwurfhügel hängen (oder hat mich der Maulwurf gefoult?) und drehe eine Sonne (echte Berliner wissen was gemeint ist, allen anderen sei gesagt, das ich den Rasen geküsst habe). Danach ist das Spiel für mich gelaufen, denn ich habe mir eine Zerrung im rechten Oberschenkel zugezogen. Dafür üben wir uns jetzt im Werfen mit diesem Granatenimitat aus weichem Kunststoff.
Regina rufen wir um 19:30 Uhr an und geben einen ersten Krankenbericht durch. Anschließend geht es auch schon unter die Dusche und danach ins Bett. Arian ist mal wieder etwas angesäuert, da ich nicht auf ihn warte und er die 20 Meter von der Dusche zum Bus allein zurück legen muss.
Die sanitären Einrichtungen entsprechen durchaus polnischem Standard: Keine Spiegel, keine Kleiderablage in den Duschkabinen. Zum Duschen gibt es zwar warmes Wasser, aber zum Zähneputzen nur erfrischend Kaltes. Dass sich die Duschen nicht verriegeln lassen ist uns sowieso egal, da wir ja die einzigen Gäste sind.
Dienstag, Juni 2004
Mücken waren das beherrschende Thema in dieser Nacht. Um Mitternacht werde ich wach, weil Arian Licht anmacht und auf Mückenjagd geht. Ich habe dann vorsichtshalber doch die Gaze am Schiebedach angebracht, damit ich wenigstens den Rest der Nacht in Ruhe schlafen kann.
Da wir die einzigen Camper auf dem Platz sind, haben der kleine Laden und der Imbiss auf dem Platz leider geschlossen. So gibt es heute zum Frühstück nur die alten Schrippen von Gestern, was nicht gerade unsere Stimmung hebt. Auch der Kaffee ist mir viel zu dünne geraten, da ich aus versehen zu viel Wasser aufgegossen habe. Oder war es nur zu wenig Kaffeepulver?
Um 10:30 Uhr kommen wir schließlich vom Campingplatz weg, nachdem wir nach dem Frühstück noch recht ausgiebig gefaulenzt haben. Heute steht eine Sightseeing-Tour durch Breslau auf dem Programm. Mit einer der beiden Straßenbahnlinien 3 oder 10 kann man vom Campingplatz aus ohne Umsteigen in die Stadt fahren. Da die Bahnen im 7,5minuten-Takt fahren, erübrigt sich hier ein Fahrplan. An der Kasse des Campingplatzes zahle ich gleich die zweite Übernachtung. Neben der Kasse liegt eine kleine Bar, wo ich gestern Abend sicher noch meinen Schlummertrunk bekommen hätte.
Mit der Linie 3 fahren wir in Richtung Zentrum, steigen nach drei Stationen aber schon wieder aus, da wir noch Fahrscheine brauchen. In der Straßenbahn gibt es prinzipiell keine und "schwarz fahren" will Arian nicht. Für mich kostet das Ticket 2 und für Arian 1 PLN. Dann geht es nochmals etwa 3 Stationen weiter, bis wir einen Markt entdecken. Also wieder raus und über den Markt gebummelt. Vier Batterien und einen Anzünder mit langem Hals erstehe ich für 6 PLN (1,30 Euro). Arian hat seinen Taschenrechner dabei und rechnet sofort alles um. Er ist begeistert, wie billig wir eingekauft haben.
Weiter geht es mit der Linie 10. Die Straßenbahnen fahren den ganzen Tag über im 15-Minuten-Abstand, so dass man niemals lange warten muss. Ein junger Pole informiert mich in der Straßenbahn, wo wir aussteigen müssen, um in die Altstadt zu gelangen. Für morgen bietet er sich sofort als Stadtführer an, heute hat er leider keine Zeit. Ich lehne dankend ab, morgen wollen wir uns ja Krakau anschauen.
Breslau, Rynek
Die Altstadt ist wirklich sehenswert, aber Arian hält immer noch nach einem Polenmarkt Ausschau. Beim Anblick von McDonalds meldet sich sofort sein leerer Magen, wir hatten zum Frühstück ja nur die alten Schrippen von gestern. Das Wetter ist sonnig, der Wind ist nun auch nicht mehr so stark, so sitzt man ganz gut im Freien. Es hat heute übrigens noch nicht geregnet! Dann geht es weiter zu Fuß durch Breslau. Auf der Suche nach einer Toilette entdecken wir in einer Kellerbar das Tischspiel "Fast Track". Jetzt werden mal kurz zwei Runden gespielt. "Fast Track" ist ein Spieltisch, auf dem eine Kunststoffscheibe auf einem Luftpolster schwebt. Mit einer weiteren Scheibe in der Hand muss man versuchen, die Kunststoffscheibe ins gegnerische Tor zu schießen.
In einem Kaufhaus erstehen wir im Outdoor-Laden Schwimmflossen für 79 PLN (17,17 Euro). In der Lebensmittelabteilung kaufen wir Weißbrot und eine Flasche Coca Cola für unterwegs. Arian hat vom vielen laufen Durst bekommen. Dann geht es weiter in die nächste Shopping-Halle. Vorher aber machen wir noch einen kurzen Abstecher in die Kellerbar und spielen wieder ein paar Runden "Fast Track".
Das Shopping-Center hat große Ähnlichkeit mit dem Gesundbrunnencenter in Berlin. Hier lasse ich einen Ersatzschlüssel für unsere Dachbox anfertigen. Im italienischen Eiscafe werden mittlerweile die XXL-Eisbecher geordert. Arian schafft seinen nicht ganz, da muss Papa helfen. Anschließend fülle ich mein Portemonnaie am ec-Automaten nach. 400 Zloty (86,96 Euro) dürften für die restlichen Tage in Polen ausreichen.
Breslau
So langsam können wir jetzt den Rückzug antreten, nicht aber ohne einen kleinen Zwischenstopp im "John Bull Pub" einzulegen. Ein Piwo und ein Red Bull werden geordert, dann (17:58 Uhr) geht es zurück zur Straßenbahnhaltestelle.
Um 18:40 Uhr sind wir wieder am Campingplatz, wo ich an der kleinen Bar etwas zu trinken für uns hole. Am Auto vertreibt sich Arian die Zeit mit Fußballspielen, während ich mich mit einem Polizisten unterhalte, der mit seinem Fahrrad auf dem Platz streife fährt. Dann erledigen wir die Abendtoilette und ziehen uns in den Bus zurück.
Ein Lagebericht an Regina fällt heute flach sagt Arian, da er Regina nicht mehr nach 20 Uhr anrufen will. Da sei sie ja schon müde und wolle nicht mehr gestört werden. Für soviel Rücksichtnahme wird ihm seine Mutter sicher Dankbar sein!
Mittwoch, Juni 2004
Guten Morgen liebe Sonne, sie ist uns bisher doch recht treu geblieben. Es ist jetzt 7:20 Uhr und ich schreibe schon wieder fleißig auf meinem hp200LX an dem Bericht von gestern und an diesen Zeilen. Arian schläft noch, wird aber wahrscheinlich gleich wach, da ich den VW-Bus verlassen werde und schon mal das Frühstück vorbereite.
Verflixt, wir haben uns verfranzt! Auf der Fahrt nach Krakau haben wir den richtigen Abzweig verpasst. Nix gesehen, nur einmal kurz ein gelbes Schild das nach rechts zur A4 zeigte. Wir müssen aber eigentlich nach links abbiegen. Arian hat allerdings auch die Straßennummerierung auf der Karte übersehen. Egal, wir warten jetzt auf den richtigen Abzweig nach links, wo es nach Strzelin und dann weiter zur Autobahn geht. Na bitte, da ist er ja!
Die Autobahn ist nagelneu und nur wenig befahren. Über Gliwice (Gleiwitz), Chorzow (Königshütte), Bedzin und Olkus (nein, nicht Ulkus!) erreichen wir über die E40 Krakow (Krakau). Ein Hinweis auf einen Campingplatz ist auch sofort gefunden. Der Weg zum Platz führt aber über einen etwas längeren Stau, ist aber ansonsten sehr gut ausgeschildert. Es ist Rush Hour in Krakau! Kurz nach 17 Uhr erreichen wir den 4-Sterne-Platz Camping "Clepardia" (N50°05.709' E019°56.482') und bezahlen 95 PLN (Auto 15, Erw. 15, Kind 7,50 und Strom 10 PLN/Tag, das macht zusammen 20,65 Euro) für zwei Nächte.
Camping "Clepardia"
Der Platz ist sehr gepflegt und durch mehrere Aufpasser gesichert. Die Sanitäranlagen sind Tipp Top, hier gibt es überall warmes Wasser und Duschen ohne Münzzuschuss. Sogar komfortable Familienduschen befinden sich im Angebot.
Nach dem Abendessen sondiert als erstes Arian die nähere Umgebung, kehrt aber schon bald erfolglos zurück. Er hat keine Möglichkeit gefunden, das erste Halbfinalspiel zwischen Portugal und den Niederlanden der EM 2004 anzusehen. Um 20:15 Uhr drehe ich dann eine Runde und entdecke eine gemütliche Bar mit Fernseher an der Hauptstraße, nicht weit entfernt. Ich laufe sofort zum Platz zurück, hole Arian und so verpassen wir nichts. Portugal zieht gegen die Niederlande mit 2:1 ins Finale ein. Hier werden wir uns auch morgen das zweite Halbfinale zwischen Griechenland und Tschechien ansehen.
Fiaker
vor den Tuchhallen in Krakau
Donnerstag, Juli 2004
Herrliches Wetter, strahlend blauer Himmel und Arian hat sich mal wieder im Kopfkissen verklemmt. Na ja, auch nicht so schlimm, ich mache einfach mal das Frühstück, dann wird er schon raus kommen. Mit dem 115er Bus fahren wir um 11:35 Uhr (der Bus fährt im 20-Minuten Takt) 7 Stationen weit bis in das Zentrum von Krakau. Unterwegs entdecken wir einen Markt, da werden wir auf der Rückfahrt mal vorbei schauen. Arian will sich ja noch ein paar Fußball-Trikots holen.
Krakau
Der strahlend blaue Himmel von heute früh ist zwar inzwischen einer ziemlich diesigen Wolkendecke gewichen, aber es ist sehr warm. Was uns sofort auffällt: Krakau ist eine kulturell hochinteressante Stadt. Zuerst kaufen wir uns aber zwei Flaschen Wasser, dann ist der obligatorische Silberlöffel mit Krakauer Wappen fällig (925er Sterling für 85 PLN, das sind umgerechnet 18,48 Euro). In den alten Tuchhallen haben sich hunderte Händler niedergelassen. Das Angebot dürfte aber allenfalls Andenkensammler zufrieden stellen.
Basilika auf dem Krakauer Schloss (Wawel)
Arian hat zwar schon einen Hamburger verdrückt, aber gestern haben wir beschlossen mal wieder Pizza zu essen. Um 13:15 Uhr werden wir auf unserem Stadtrundgang am "Plac Dominikanski" fündig und bestellen eine Pizza Quatro Stagione und eine Funghi für Arian. Mit den Resten auf unseren Tellern bekämen wir glatt eine komplette Familie satt. Ich schaffe wenigstens die Innereien, aber Arian lässt mehr als die halbe Pizza liegen. Zu unserer Ehrenrettung muss man allerdings wissen, dass es wahre Wagenräder sind, die da vor uns auf dem Teller liegen.
Krakaus "Konzertsaal"
Musik, wohin man hört. Vorhin das Konzert auf dem eisernen Schiff vor den alten Tuchhallen, jetzt die Panflötenspieler auf dem Schloss (Wawel). Laufen ist ja so gesund und wenn man dann noch ab und zu in ein kleines Cafe einkehrt und Eis, Cola und ein Piwo bestellt, macht es noch mal so viel Spaß. Damit meinen Füssen das Laufen auch bekommt, habe ich mir vorhin Sandalen von Salomon für 339 PLN (73,70 Euro) gekauft. Zwar keine richtigen Sandalen, dafür aber sehr luftig und bequem. Gekauft haben wir auch noch ein frisches Weißbrot (1,20 PLN) für morgen früh.
Der 115er bringt uns um 17:39 Uhr wieder zum Campingplatz zurück, wo wir um 18:16 Uhr eintreffen. Eigentlich wollten wir am Markt kurz aussteigen und nach Trikots Ausschau halten, aber der Bus fährt auf dem Rückweg offensichtlich eine andere Strecke, so dass wir beschließen, lieber morgen bei der Abfahrt auf dem Markt vorbei zu schauen.
Um 19:45 Uhr sitzen wir im Restaurant und warten auf die Bedienung. Um 20:10 Uhr kommt sie endlich an unseren Tisch und erklärt uns, dass es nach 20 Uhr leider kein Essen mehr gibt. Mahlzeit! Arian ist sauer. So gehen wir wieder zum Platz zurück und essen etwas Müsli. Zum Anstoß des zweiten Halbfinalspiels Griechenland gegen Tschechien sind wir wieder pünktlich in der Bar. Griechenland gewinnt in der letzten Minute der ersten Nachspielhälfte mit dem "Silver-Goal" zum 1:0 und steht somit im Finale! Heute Abend regnet es leicht, aber wir haben den Schirm dabei und machen uns gegen 23 Uhr auf den Rückweg zum Campingplatz.
Als wir gestern unterwegs waren, habe ich plötzlich einen veränderten Klang des Auspuffs im Ohr gehabt. Auf dem Campingplatz stelle ich sage und schreibe drei undichte Stellen an den Dichtungen des Auspuffs fest. Da hilft nur noch Arian und mein Gum-Gum.
weiter nach Dedinky in der Slovenska republika ...
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