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Montag im Juli 2003
Reichlich Sonnenschein und Wind kündigen morgens einen weiteren Sommertag an, zumindest hier in Tangen. Für uns sollte sich das Wetter im weiteren Verlauf des Tages dann allerdings noch ändern. Nachdem das Zelt abgebaut ist, wird in aller Ruhe gefrühstückt. Dann machen wir uns auf den Weg in den Rondane-Nationalpark. Beim Kaufmann in Tangen holen wir noch ein paar Kleinigkeiten, dann fahren wir um 11:00 Uhr los. Auf der E6 geht’s über Lillehammer (N61°06'51.0" E010°26'55.4") bis nach Kvam. In Lillehammer wird voll getankt und der Bargeldautomat von Regina um 2.000 NOK erleichtert.
Seit unserer Abfahrt hat sich das Wetter zusehends verschlechtert. Es war von mir eine Rast am Hunderfossen (N61°13'11.4" E010°26'10.6") angedacht, aber vom Wasserfall ist leider weit und breit nichts zu sehen. Fossen heißt übersetzt wohl soviel wie Wasserfall, aber stattdessen gibt es dort nur einen Familienpark, wo man sich für 1.095 NOK (132,39 €) mit der ganzen Familie (2 Erwachsene und 2 Kinder für 2 Tage mit einer Übernachtung und den Parkgebühren) amüsieren kann. Für diesen Preis bekommt man das Vergnügen natürlich nur in der Nebensaison, jetzt ist es noch teurer. Wie viel es jetzt aber genau kostet, darüber schweigt sich der Prospekt leider aus. Man will ja nicht die Gäste verschrecken. Zu allem Überfluss setzt jetzt auch noch Dauerregen ein, der innerhalb der nächsten viertel Stunde zu einem Wolkenbruch mutiert.
In Kvam biegen wir in Richtung Rondane-Nationalpark ab und fahren den Campingplatz Björgebu (N61°44'47.1" E009°43'56.9") an. Es ist jetzt 15:00 Uhr und seit etwa einer Stunde regnet es wieder, nachdem der Regen vorhin mal kurz pausierte. So spannen wir nur schnell den Regenschutz an unseren Bully und kochen Kaffee. Rühreier mit Kartoffelpüree gibt es heute als Mittagsessen. Derweil hat der Regen aufgehört und wir stellen das Zelt auf. Direkt neben dem Sanitärhaus ist eine halbwegs ebene Rasenfläche. Ansonsten stehen keine Zelte auf dem Platz, er ist auf der Wanderkarte auch als Stellplatz für Wohnwagen und -mobile ausgewiesen. Für die Sanitäranlagen haben wir einen Schlüssel bekommen, alles ist sehr sauber und schön ausgestattet. Vorbildlich muss man schon sagen, auch wenn die Duschen mit Münzen gefüttert werden wollen. Warmes Wasser für die Waschbecken und den Abwasch sind vorhanden und eine Waschmaschine steht auch zur Verfügung.
Campingplatz "Björgebu" im Rondane-Park
Dichte Wolken hängen über den Bergen. Ein Camper verrät uns, dass es seit vier Wochen heute der erste schlechte Tag ist. Einen vorwurfsvollen Unterton kann ich aber nicht heraushören. Egal, jetzt muss die Fleecejacke her.
Jetzt, um 18:36 Uhr kommt plötzlich die Sonne hervor und als ich zum Himmel schaue, sehe ich schon einen erheblichen Blauanteil. So fix geht das hier. Genauso fix wie sie gekommen ist, ist die Sonne aber auch wieder hinter dicken Wolken verschwunden. Ein wenig hilft immer eine heiße Suppe. Arian zündet den Kocher an und serviert für sich eine 5-Minutenterrine und mir eine Gemüsebrühe mit Ei.
Campingplatz "Björgebu" im Rondane-Park
Arian schaut auf das Thermometer am Sanitärhaus und liest um 22 Uhr 13°C ab. Nachmittags waren es immerhin noch 17°C gewesen. Regina und Arian haben sich vorsichtshalber über ihre Schlafsäcke die Fleecedecken von Four Seasons gelegt, falls es in der Nacht zu kalt wird. Da wird heute Nacht wohl mein neuer Schlafsack seine Qualität beweisen können. Regina liest in ihrem Buch, Arian daddelt und ich schreibe um diese Zeit (22:40 Uhr) auf dem hp200LX am Reisetagebuch.
Dienstag im Juli 2003
Ich messe 15°C früh um 7 Uhr, das kann sich doch sehen lassen. Immerhin befinden wir uns in 902 Metern Höhe, wie mir mein GPS verrät. Sehen lassen kann sich der Himmel aber leider nicht. Alles ist grau in grau und schwere Wolken verkünden nichts Gutes für den Tag. Ab und zu zieht auch mal was Blaues vorüber, aber das war’s dann auch schon. Ich warte schon mit dem Frühstück auf meine Familie. Regina hat sich schon die Haare gewaschen, aber Arian noch nicht einmal den Ausgang aus seinem Schlafsack gefunden.
Gerade (8:43 Uhr) kommen die ersten Tropfen herunter und wir verziehen uns schnell in den VW-Bus. Den Tisch für den Bully haben wir zum Glück auch dabei, da können wir fix das Geschirr umräumen. Anschließend scheint aber sofort wieder die Sonne. Diesmal allerdings ausdauernder, die dunklen Wolken sind plötzlich wie weggeblasen. Nun traut sich auch Arian aus dem Zelt heraus.
Hier nun ein Auszug aus unserem morgendlichen Speiseplan: Kaffee mit Kaffe flöte, Polarbröd, Terrine de canard aux olives (Ententerrine mit Oliven), Philadelphia-Frischkäse, Blackcurrant-Marmelade von Chivers, Ungarische Salami und Bresso Provencal. Meine Zarges-Box ist doch die reinste Wundertüte!
Früh um 10:30 Uhr brechen wir zu unserer Wanderung um den Furusjöen auf. Wir mussten nach dem Frühstück aber noch etwas warten, da der kleine Laden gegenüber vom Campingplatz erst um 10 Uhr aufmacht. Arian holt noch 6 Brötchen, die wir für unterwegs fertig machen.
Rondane-Nationalpark
Zuerst geht es hoch zum Hotel Rondablikk und von dort hinunter zum See. Arian hat plötzlich Probleme mit seinen Schuhen. Sie scheuern plötzlich an den Hacken. Regina gibt ihm Pflaster, womit er seine Fersen abkleben kann. Am See entlang verfehlen wir irgendwann den richtigen Abzweig und stehen plötzlich am Valasjöen. Als Arian den Irrtum bemerkt (Vater hat wohl gepennt), ist es für eine Umkehr schon zu spät und so laufen wir kurzerhand um den See herum. Er hat den unschätzbaren Vorteil, dass er erheblich kleiner als der Furusjön ist. Die Strecke ist somit auch wesentlich kürzer. Den großen See können wir uns jetzt sparen. Wir betrachten diese Wanderung einfach mal als Aufwärmrunde für Morgen, wenn wir den Fursjön runden werden. Zwischen den beiden Seen fließt ein Bach, hier kühlen wir unsere geschundenen Füße. Arian verfügt offensichtlich noch über genügend Reserven, denn er will bei dieser Gelegenheit mal eben den Bach umbauen. Reginas Füße sind nicht heißgelaufen, sie behält ihre Schuhe an. Zurück geht es in Richtung Rondablikk und um 16:20 Uhr stehen wir wieder am Zelt. Regina hat aus dem Einkaufsladen gegenüber für 28 NOK (3,39 €) pro 0,5 l Dose, zwei Bier geholt. Ich sitze vor dem Zelt und stelle mir einfach vor, wir säßen im Adlon! Aber wo bitte, bleibt der Kellner?
Fluss im Rondane-Park
Couscous oder nicht, das ist heute die Frage. Couscous mit Bratwurst ist nicht so ganz nach Reginas Geschmack, also gibt es Bratwurst mit Couscous. Nach dem Abwasch lesen wir im VW-Bus.
Heute werden wir den Tag unter der warmen Dusche ausklingen lassen. Der Automat gönnt uns für 10 NOK vier Minuten wolliges Vergnügen. Die Zeit reicht für Arian und seinen Papa völlig aus. Danach geht es sofort in Richtung Schlafsack.
Mittwoch im Juli 2003
Die Sonne lockt mich frühmorgens aus dem Zelt. Was für ein Tag! Klare frische Luft, leichter Wind und Sonnenschein. Ich weiche etwas Wäsche von uns ein und nehme den Kocher in Betrieb. Dann gibt’s einen kurzen virtuellen Rundgang mit dem Camcorder. Meine Mannschaft liegt aber immer noch im Zelt.
So langsam kommen wir jetzt auf Touren. Regina hat sich die Haare gewaschen und auch Arian ist schon aus dem Zelt gekommen. Er beobachtet Bienen und Hummeln bei ihrer Arbeit. Anderen bei der Arbeit zusehen ist immer etwas Schönes. Regina hat inzwischen die Wäsche gespült (9:55 Uhr) und wir hängen sie auf die Zeltleinen in die Sonne.
Arian holt fürs Frühstück sechs Brötchen aus dem Einkaufsladen, das Stück für 6 Kronen, umgerechnet also 0,72 Euro. Man gönnt sich ja sonst nix. Bevor Arian zum Bäcker geht, hat er die Hummeln auf der Wiese neben unserem Zelt beobachtet. Dabei entdeckt er eine kleine Hummel, deren Flügel beschädigt sind, wodurch sie nicht mehr richtig fliegen kann. Sie darf auf Arians Arm mit zum Einkaufsladen kommen. Hinterher setzt er sie auf einer Blüte an der Straße ab. Als wir aufbrechen, wartet die kleine Hummel immer noch auf der Blüte am Straßenrand. Also nimmt Arian die Hummel mit auf die Wanderung, damit sie etwas von der Welt sieht.
Kurz entschlossen wählen wir den Jörafossen als Wanderziel. Die kleine Hummel sitzt immer noch auf Arians Arm. Unser Weg führt uns am kleinen See Orvillingen vorbei zum Fluss Frya. Die Frya queren wir auf einer provisorischen Brücke und verlassen jetzt den markierten Weg. Am Wegesrand stehen Blumen, hier wird die kleine Hummel mal kurz abgesetzt, damit sie Blütennektar nuckeln kann. Durch dichten Birkenwald kämpfen wir uns anschließend auf über 1.000 Meter empor. Hier hat die kleine Hummel offensichtlich wieder Lust aufs Fliegen und macht sich aus dem Staub.
Brücke über die Frya
Jetzt (13:58 Uhr) gönnen wir uns endlich mal eine Rast (N61°46'32.6" E009°47'22.9") in 1.010 Metern Höhe. Kurz darauf geht es weiter in Richtung Wasserfall. Vorhin, zu Beginn unserer Wanderung haben wir ihn schon mit dem Fernglas erspäht. Da sieht immer alles so nah aus. Ich will es kurz machen. Da wir schon seit Stunden keinem festen Weg mehr folgen und uns nur noch durch unwegsames Gelände vorwärts kämpfen, macht meine tapfere Frau so langsam schlapp. Kein Wasserfall weit und breit, nur kleine Bäche, steile Felsen, herrliche Ausblicke und schier undurchdringliches Dickicht. Also treten wir den geordneten Rückzug nach unten an. Der Fels ist steil, nass und glitschig. Reginas Abstieg darf ich aus unerfindlichen Gründen nicht filmen. Aber es geht alles gut und wir gelangen schließlich heil aber abgekämpft ins Tal, wo schon die Frya auf uns wartet. Keine Brücke weit und breit. Meine Frau will zurück zur Brücke, ich durch die Frya. Aber auch dieser Fluss stellt kein wirkliches Hindernis für uns dar. Lediglich die Hosenbeine werden nass, aber keiner nimmt ein Vollbad im eiskalten Wasser. Der Rest des Weges ist dann nur noch reine Routine.
Ausblick über Rondane
Oh Mann, war das mal wieder ein Tag! Mit letzter Kraft erreichen wir um 17:45 Uhr den Campingplatz und ich hole für uns noch etwas zu trinken. Nach dieser Tortur hat sich Arian eine Flasche Fanta Exotic und wir jeder zwei Dosen Bier verdient. Von Dosen sind wir überhaupt nicht begeistert, aber dass es Bier auch in Flaschen gibt, hat sich bis in diese Gegend offensichtlich noch nicht herum gesprochen. Neben dem Carlsberg habe ich diesmal noch zwei Dosen 0,5l Frydenlund gekauft. Der Preis ist bei beiden Sorten identisch. Für alle Getränke bezahle ich 130 NOK (15,72 €).
Arian beim
Wandern im Rondane-Park
Lange bleibe ich nicht mehr draußen sitzen, denn ich habe das dringende Bedürfnis, meine müden Knochen auszustrecken. Und zwar im Schlafsack! Also heute mal Katzenwäsche und Zähne geputzt und um 20:15 Uhr liege ich bequem. Gute Nacht!
Donnerstag im Juli 2003
Früh um 4:45 Uhr zeigt das Thermometer +6°C an. Aber in den Schlafsäcken hat keiner von uns Dreien gefroren. Der Laden hat jetzt geöffnet, als wir um Zehn aufstehen und Arian holt uns Frühstücksbrötchen. Die Lufttemperatur steigt dann bis um 12:30 Uhr auf sagenhafte 20°C.
Arian hat sich einen kleinen Hummelkäfig gebastelt. Im kleinen Kochtopf hat er den Boden mit Blüten bedeckt, damit sich eine flugmüde Hummel darin wohl fühlt. In eine Blüte hat er etwas Zucker gestreut und mit ein paar Tropfen Wasser angefeuchtet. Regina hat sich mit Arian auf die Decke neben dem Zelt gelegt. Solange die Sonne scheint ist es sehr angenehm, aber wenn sie hinter den Wolken verschwindet macht sich der kräftige Wind leider unangenehm bemerkbar.
Ich bezahle am Nachmittag den Campingplatz mit 400 NOK (48,36 €) für vier Übernachtungen bis Morgen. Das ist ein durchaus akzeptabler Preis, zumal wir auch Strom hatten.
Aufkeimender Hunger ruft eine Diskussion über die Qualität eines Mittagessens auf der Basis von Couscous hervor. Arian entscheidet sich schließlich für Rühreier als Beilage, Regina und ich für Koteletts. Trotz allem, es war durchaus essbar.
Eine kleine Hummel ist tot. Arian ist traurig und baut ihr ein Steingrab mit einer gelben Blüte darauf. Die zweite Hummel ist fort geflogen, jetzt ist der Kochtopf wieder frei.
Auf dem ganzen Campingplatz und somit auch im Sanitärhaus herrscht plötzlich Stromausfall. Kein Problem für mich, ich habe zum letzten Geburtstag von Freunden eine Stirnlampe geschenkt bekommen. Eines von diesen Dingern, das aus drei LEDs für lange Zeit sehr helles Licht holt. Mittels dreier Gummibänder kann es vor der Stirn fixiert werden. Ungeheuer praktisch solch eine Lampe, gerade auf dem finsteren Klo.
Ach ja, da fällt mir doch noch folgendes ein. Uns aufmerksamen Beobachtern ist nicht entgangen, dass fast alle Norweger das Sanitärhaus prinzipiell mit gut gefüllter Plastiktüte aufsuchen! Wer also das Sanitärhaus betritt, um sich zu waschen, oder zu duschen, der bringt seine Utensilien in einer Plastiktüte mit. Jeder von uns hat dagegen seinen eigenen Waschsalon. Andere Länder, andere Sitten!
Vor dem Zuschlafsackgehen stelle ich mich mit Arian unter die heiße Dusche. Das verleiht die nötige Schlafsackschwere. Nach den ersten Vier-Minuten für 10 NOK gönnen wir uns den Luxus eines zweiten Durchgangs. Nun aber schnell ins Zelt.
weiter nach Jotunheimen ...
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